Palermo – Der Charme der ungeschminkten Schönheit

Chaos und marode Schönheit: Palermo fasziniert und verstört. Wenn man sich auf ihren Rhythmus einlässt, ist man verloren. Die Stadt berauscht.

Palermo – Der Charme der ungeschminkten Schönheit

Achtung, Palermo ist gefährlich. Nein, nicht wegen der Mafia, die hier ihr Unwesen treiben soll. Ihr sind die Touristen herzlich egal. Auch nicht, weil Siziliens Hausvulkan, der Ätna, derzeit wieder Lava spukt. Nein: Palermo macht süchtig. Zwar nicht auf den ersten Blick, aber garantiert auf den zweiten.

Denn der erste Anblick ist ernüchternd. Der Lack ist ab, es fehlt an neuem Putz und frischer Farbe. Die Häuserfassaden bröckeln, die Geländer der Balkone sind verrostet und die Trottoirs löchrig. Aber gerade deshalb ist Palermo eine so faszinierende Stadt: Sie ist ursprünglich und unverfälscht.

Den Charme von Palermo entdecken

Foto: TravelBistro

Palermo ist die Hauptstadt der autonomen italienischen Region Sizilien. Von den 5 Millionen Einwohnern der grössten Mittelmeerinsel leben etwa 650 000 in der Stadt. Natürlich darf man nicht die Augen davor verschliessen, dass viele Menschen in Sizilien in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, die Arbeitslosenquote liegt bei etwa 20 Prozent. 27 von 100 Familien leben nahe der Armutsgrenze – und die Coronakrise wird das noch verstärkt haben. Als Tourist sollte man daher sein Geld nicht in teuren Hotels oder internationalen Markengeschäften, sondern bei den einfachen Leuten ausgeben.

Wie zum Beispiel bei Dario, der auf seinem Piaggio-Dreirad durch die Strassen fährt und pane e panelle Brötchen mit frittierten Kichererbsen-Küchlein zum Zmorgen verkauft. Dario wäre eigentlich schon Rentner, doch er braucht den Zustupf. «Du isst gerade richtiges palermisches Streetfood», freut er sich über den Touristen, der die lokale Spezialität probiert. Lecker ist das einfache Gericht, genauso wie der sizilianische Fastfood-Klassiker pani ca muesa, das Rindermilz-Sandwich, dessen herber Geschmack so perfekt zu Palermo passt. Mut zum Probieren: Es lohnt sich!

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Foto: TravelBistro

Der gesamte Kosmos des palermischen Lebens zeigt sich nirgends so unverblümt wie auf den Strassenmärkten. Im Mercato del Capo türmen sich auf Plastikkisten die Reichtümer des sizilianischen Garden Eden: runde, eierförmige oder wulstige Tomaten, Auberginen, Erdbeeren, Artischocken und Zitrusfrüchte in allen Variationen. Dazwischen Stände mit Meeresgetier, Muscheln, Langusten, Kraken und riesigen Schwertfischen. Hunde und Katzen streunen umher und tun sich an den Resten gütlich.

Hausfrauen mit lebensgegerbten Gesichtern kaufen Sardinen für pasta con le sarde: Nudeln mit Sardinensosse. Dazwischen stolzieren junge Frauen auf ihren Highheels über die holprige Strasse, junge Männer kurven hupend mit ihrer Vespa durch die Menschenmenge. Es riecht nach Rosmarin, Fisch und Abgasen. Doch immer wieder kommt ein süsslicher Schwall Waschmittelduft herbei. Von den Balkonen baumelt frisch gewaschene Wäsche – Farbtupfer in einer modrigen Stadt.

Travel Tipp – Im Tal der Tempel

Die griechischen Tempel beim Städtchen Agrigento an der Südküste Siziliens gehören zu den ergreifendsten antiken Städten Europas. Seit 1997 sind sie Unesco Weltkulturerbe. Auf einem Felsrücken, etwa einen Kilometer vom Mittelmeer entfernt, finden sich die Ruinen von sieben griechischen Heiligtümern. Sie sind die Überbleibsel von Akragas, der viertgrössten Stadt der Antike. Einst von den Griechen gegründet, ging die Stadt in karthagische und römische Hände über. Die Römer nannten die Stadt Agrigentum, woraus der heutige Name Agrigento stammt. Etwa im siebten Jahrhundert verliessen die Einwohner die antike Stadt und siedelten sich ein paar Kilometer weiter auf einem Hügel an – wahrscheinlich ein Grund, warum die Tempel nicht abgetragen wurden. Einzige Schäden richteten Erdbeben an. Das absolute Highlight ist der Tempel der Concordia, der fast vollständig erhalten ist. Grund dafür ist eine Lehmschicht unterhalb der Felsen, die wie ein natürlicher Airbag die Stösse der Erdbeben abfederte. Als das Christentum in Sizilien Einzug hielt, recycelte man den Tempel kurzerhand in eine Kathedrale um, die ein paar Jahrhunderte benutzt wurde.

Palermo ist eine Stadt, die man nicht mit einer eingezeichneten Route im Stadtplan von Highlight zu Highlight erlebt. Sie entfaltet ihre Schönheit, wenn man sich ziellos durch die verwinkelten, manchmal düsteren Gassen treiben lässt. Das Leben beobachtet. Und selbstverständlich verbergen sich zwischen all den morschen Häusern auch wahre architektonische und künstlerische Kostbarkeiten.

Durch seine strategische Lage im Mittelmeer war Sizilien seit der Antike heiss begehrt. Verschiedene Herrscherhäuser gaben sich hier die Klinke in die Hand: die Griechen, Römer, Normannen, Moslems, Staufer, Spanier und schliesslich die Italiener. Sie alle haben ihr Erbe und Prachtbauten auf der Insel hinterlassen.

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Das absolute Highlight ist die Capella Palatina im Normannenpalast. Die Kapelle aus dem 12. Jahrhundert gehört zu den schönsten Kirchenbauten des Mittelalters. Auf goldenem Untergrund zeigen Mosaiken die Lebensgeschichte Jesu, verschlungene Muster zieren den Marmorboden, von der Decke tropfen hölzerne Stalaktiten. Die Harmonie der Kapelle ist atemberaubend. In ihr finden sich europäische, byzantinische und islamische Baukunst. Ebenso wie in der Kathedrale, die zunächst Kirche, dann Moschee und wieder Kirche war. In Palermo nimmt man das Leben praktisch.

So schön sie sind, die touristischen Musts, die Kirchen, die Kunstmuseen, die Palazzi, es ist das Leben in den labyrinthischen Gassen, das hier im Süden Europas fasziniert. Das Chaos, welches das Leben manchmal so leicht macht, die Improvisationskunst der Einwohner und die Lebensfreude, all das macht süchtig.

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Travel Basics

Einreise Alle Informationen bezüglich Reisen nach Italien findet man auf folgender Seite: 

www.italia.it

Hinkommen Nach Palermo gibt es keine Direktflüge aus der Schweiz. Mit einmaligem Umsteigen geht es mit der Alitalia nach Palermo. Edelweiss Air fliegt von Zürich in die Stadt Catania im Osten.

Rumkommen Sizilien mit seinen schönen Stränden, der reichen Geschichte und vielen herzigen Städtchen bietet sich für eine Rundreise gerade zu an. Mit dem ÖV wird dies allerdings zur Geduldsprobe. Wer also nicht nur in Palermo blieben möchte, muss sich ein Auto mieten.

Informationen: Italia, Flyedelweiss

 

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