1000 Jahre Geschichte an der Kathedrale bewundern
Santiago de Compostela existiert aus einem einzigen Grund: der Auffindung des angeblichen Grabes des Jüngers Jakobus dem Älteren. Als im 9. Jahrhundert die Apostel-Gebeine gefunden wurden (was historisch natürlich sehr fragwürdig ist), entstand zunächst ein lokales Heiligtum, welches sich schon bald zu einem gesamteuropäischen Phänomen entwickelte, dem Jakobsweg. Mit dem Zustrom der Pilger wuchs eine Stadt, die sich mit ihrer gesamten Infrastruktur der Versorgung der Wallfahrer widmete. Und auch heute noch wäre Santiago wahrscheinlich weitgehend unbekannt, würden sich nicht Menschen aus der ganzen Welt bis in den äussersten Westen Europas aufmachen.
Klar, dass die Kathedrale das Zentrum und die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt ist. Trotz der barocken Aussenfassade stammt der riesige Bau aus dem 11. und 12. Jahrhundert und ist ein Meisterwerk der Romanik. Insbesondere das originale Eingangsportal, das sogenannte Pórtico de la Gloria, das durch die Barockfassade vor der Zerstörung durch Wind und Wetter geschützt wurde, ist ein künstlerisches Meisterwerk. Ein Besuch des Pórtico, das in den letzten Jahren renoviert wurde und nun schöner strahlt als je zuvor, ist ein absolutes Muss. Auch das anschliessende Kathedralenmuseum ist sehenswert. Für Geschichtsfans interessant ist das Brunnenbecken im Kreuzgang, welches aus dem Mittelalter stammt und einst vor der Kathedrale stand. Hier wuschen sich die Pilger nach ihrer langen Reise vor dem Besuch der Messe, wie mittelalterliche Quellen bestätigen.
Mein Tipp: Während mancher Messen kommt der Botafumeiro zum Einsatz, das grösste Weihrauchfass der Welt. Sieben Männer sind nötig, um dieses 80 Kilogramm schwere und 1,60 Meter grosse, rauchende Gefäss mit einem speziellen Mechanismus durch das gesamte Kirchenschiff zu schwingen. Ein Spektakel!
Foto: Travel Magazin
Die Pilger auf der Plaza del Obradoiro beglückwünschen
Vor der Kathedrale befindet sich die Plaza del Obradoiro – das Wohnzimmer Santiagos. Täglich kommen hier Hunderte Pilger an, die mehrere Wochen oder Monate unterwegs waren. Die Emotionen und Freudentränen mitzuerleben, gehört zu den intensiven Eindrücken bei einem Besuch Santiagos. Besonders zum Sonnenuntergang, wenn die Fassade golden leuchtet, ist dies ein magischer Ort. Nach dem Eindunkeln spielen dann Bands mit traditioneller galicischer Musik auf: toll für eine letzte beschwingte halbe Stunde, bevor man zurück ins Hotel geht.
Die Nordseite des Platzes wird zudem von einer der berühmtesten Bauten für Jakobspilger in ganz Spanien eingerahmt: dem Hostal de Los Reyes Católicos aus dem 16. Jahrhundert. Die katholischen Könige Isabella und Ferdinand stifteten im Jahr 1499 eine neue Herberge und ein Pilgerhospital, nachdem sie selbst nach Santiago gepilgert waren. Unglaublich: Seit jenen fernen Tag ist der Bau durchgehend in Benutzung und noch zu einem Grossteil im Originalzustand erhalten.
Nach dem Niedergang des Jakobswegs wurde aus dem Pilgerhospital zunächst das städtische Krankenhaus und im letzten Jahrhundert das Luxushotel Parador. Wer das nötige Kleingeld hat, sollte unbedingt in diesen historischen Mauern übernachten – oder zumindest im Café in einem der vier Kreuzgänge einen Cortado schlürfen und dabei die filigrane Architektur bewundern.
Rúa do Franco – den Beat des gastronomischen Herzens spüren
Galicien hat eine reiche gastronomische Tradition. Insbesondere die Meeresfrüchte, die Austern, verschiedenste Muscheln, Krebse und Krabben zählen zu den besten Europas. Und dank der vielen Pilger, von denen die meisten Spanier sind, quillt Santiago mit ausgezeichneten Restaurants über (Restaurants mit schlechter Qualität würden schlichtweg nicht überleben). Das kulinarische Herz schlägt in der Rúa do Franco unweit der Kathedrale. Hier reiht sich ein Restaurant ans nächste. Interessant: Schon im Mittelalter war diese Strasse das Versorgungszentrum für die Pilger, manche Gasthäuser blicken also auf eine lange Tradition zurück. Empfehlen möchte ich die Taberna O Boteco in einem schönen Steinhaus mit sehr leckeren Tapas.
Mein Tipp: Wer in Santiago in einer Bar etwas Alkoholisches bestellt, bekommt eine Tapa dazu. Mit einer Besonderheit wartet die Bar Orella, galicisch für «Ohr», auf: Als Tapa gibt es gesottenes Schweineohr.
Mercado de Abastos – im Paradies schlemmen
Dass Santiago nicht zu einer Museumsstadt verkommen ist, sondern auch in der Altstadt noch Menschen leben, sieht man am Mercado de Abastos. Hier decken sich die Bewohner und die Chefköche der Restaurants mit frischen Lebensmitteln ein. Besonders sehenswert sind die Hallen mit den Meeresfrüchten (wenn auch der Geruch teilweise eine Herausforderung darstellt). Eine Halle wurde mittlerweile zu einem Gourmet-Spot umgewandelt. Mehrere Restaurants bieten das gesamte Spektrum der galicischen Küche an, von der Gemüsesuppe Caldo gallego bis zu Polbo á feira, Krake auf galicische Art. Krake gekocht oder grilliert ist gewissermassen das galicische Nationalgericht. Wer nicht vegetarisch oder vegan lebt, sollte das zugegebenermassen etwas unästhetische Gericht unbedingt mal probieren!
Mein Tipp: Neben dem Mark finden sich weitere sehr gute Restaurants. Das beste ist das Tapas-Restaurant Lume der galicischen Chefköchin Lucia Freitas – ein Ableger ihres Michelin-Sterne-Hauses «A Tafona» unweit des Marktes.
Foto: Travel Magazin
Hotel Costa Vella – im schönsten Garten der Stadt «apéröle»
Santiagos Unterkünfte reichen von vollgestopften (Pilger-)Herbergen bis Luxushotels in historischen Gebäuden. Mein Lieblingshotel ist das «Costa Vella» am Rande der Altstadt. Highlights sind die Zimmer, die teilweise mit Wintergarten ausgestattet sind, und der wunderschöne ummauerte Garten. In der warmen Jahreszeit kann man hier herrlich sitzen und einen Apéro geniessen. Das dazugehörige Café ist zudem ein schöner Ort zum Ausruhen vom Sightseeing (leckere Kuchen!). Ebenfalls ein Highlight ist das Frühstück, das aus galicischem Brot, Käse, Schinken, Croissant und Marmelade besteht – eine reichliche Auswahl, die man so in Spanien oft vergeblich sucht.
Mein Tipp: Wer etwas günstiger nächtigen möchte, kann direkt neben der Kathedrale im ehemaligen Kloster Monasterio de San Martín Pinario unterkommen. Hier gibt es zwei Kategorien: schlichte, renovierte Einzel- und Doppelzimmer und Pilgerzimmer, die an eine Mönchszelle erinnern.
Im Pilgermuseum in der Geschichte stöbern
Santiago kann mit einigen guten Museen aufwarten. Zu empfehlen sind das galicische Volkskundemuseum (Museo do Pobo Galego) und das Museum für zeitgenössische galicische Kunst (Centro Galego de Arte Contemporanea). Beide liegen am östlichen Rande der Altstadt. Ein Muss ist sicherlich das Pilgermuseum hinter der Kathedrale. Hier wird nicht nur das Phänomen der Pilgerfahrten in allen Weltregionen beleuchtet, sondern es werden auch die Entstehung des Jakobswegs und die Gründung der Stadt Santiago de Compostela skizziert.
Mein Tipp: Neu ist die Cidade da Cultura, die «Stadt der Kultur», auf einem Hügel oberhalb der Stadt (es verkehren Busse). Das Projekt, das in seiner Form die nahen Hügel nachahmen will, ist zwar äusserst umstritten, bietet aber ein weiteres gutes Museum für zeitgenössische Ausstellungen. Zudem hat man vom Hügel aus einen schönen Blick auf die Stadt.
Ausflüge um Santiago
Finisterre – ein Ende, das ein neuer Anfang ist
Das Ende der Welt liegt bei Santiago um die Ecke. Das Kap Finisterre, vom lateinischen finis terre, galt lange als der westlichste Punkt des europäischen Festlands. Und auch wenn es zwei, drei weitere Spots in Europa gibt, die noch ein paar Meter weiter gen Westen ragen, umweht dieses felsige Plateau eine besondere Mystik. Manche Jakobspilger betrachten diesen Punkt als wahres Ende des Jakobswegs und marschieren in etwa drei Tagen von Santiago hierher. Legenden besagen nämlich, dass das Kap eine keltische Weihestätte gewesen sei, wofür es allerdings keine historischen Beweise gibt. Eine besondere Stimmung haben das Dorf Finisterre mit seinem langen Sandstrand (im Sommer schön zum Sonnenbaden) und das Kap mit den weiten Blicken auf jeden Fall. Am Kap, das etwa zwei Kilometer vom Dorf entfernt ist, herrscht viel Touristenrummel. Schönste (und ruhigste) Tageszeit ist der Sonnuntergang. Ich nehme immer ein Picknick mit, setze mich auf einen Felsen unterhalb des Leuchtturms und betrachte den Sonnenuntergang. Herrlich! Nach Finisterre kommt man ab Santiago in 2,5 Stunden mit dem Bus.
Mein Tipp: Am Hafen von Finisterre kann man herrlich essen. Von den vielen Restaurants, die alle gut sind, empfehle ich besonders das Restaurante Maruxía.
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A Illa de Arousa – sich fühlen wie in der Karibik
Galicien ist nicht gerade für sein gutes Wetter bekannt. Hier am Atlantik kann es auch im Sommer feucht werden und die Temperaturen rangieren unter den beliebten spanischen Badedestinationen im Süden – und dennoch lässt es sich hier herrlich am Strand relaxen. Manche der sandigen Strände an der felsigen Küste können es meiner Meinung nach leicht mit den bekannten Favoriten an der Costa Brava oder in Mallorca aufnehmen. Einige sehr schöne Strände gibt es auf der Insel A Illa de Arousa etwas südlich von Santiago, die bequem über eine Brücke erreichbar ist (Mietwagen benutzen).
Pontevedra – bummeln in der schönen Altstadt
Pontevedra ist die schönste Stadt Galiciens neben Santiago. Leider wurde in einer Neubauwut in den 70er Jahren in vielen spanischen Städten viel alte Substanz zerstört. Aber Pontevedra wurde seit jeher von smarten Politikern regiert und so präsentiert sich die Altstadt als ein Schmuckstück zum Bummeln und Flanieren. Sehen sollte man die barocke Pilgerkirche La Peregrina in Form einer Jakobsmuschel und das Provinz-Museum (Museo de Pontevedra) mit sehr guter archäologischer Abteilung. Aber ansonsten gilt hier: sich treiben lassen und das Flair der Stadt geniessen. Hin geht es mit dem Bus aus Santiago.
Mein Tipp: Neben dem Provinz-Museum befindet sich das Restaurant Ultramar, das von Chefkoch Pepe Vieira betrieben wird, seines Zeichens bester galicischer Koch mit zwei Michelin-Sternen. Dieses bistroartige Restaurant hat zwar noch keine Sterne eingeheimst, aber schlemmen kann man hier dennoch herrlich.
Foto: Travel Magazin