Nachgefragt bei André Lüthi

Soll man in Diktaturen reisen? „Einmal sehen ist besser als tausendmal hören“, sagt André Lüthi, Delegierter des Verwaltungsrats und Präsident der Globetrotter-Gruppe. Der Touristiker hat selber mehrmals Nordkorea sowie weitere Diktaturen bereist. Nachfolgend das ganze Interview.

Nachgefragt bei André Lüthi

André, du hast Nordkorea mehrmals bereist. Darf man zu Diktatoren reisen?

Meine Meinung ist klar: Einmal sehen ist besser als tausendmal hören. Das Wichtigste ist am Beispiel Nordkorea, dass man die Menschenrechtsverletzungen adressiert. Ich thematisiere das mit unseren Partnern.

In Nordkorea werden nachweislich krasse Menschenrechtsverletzungen begangen, nehmt ihr diesen Zustand einfach so hin?

Ich persönlich verurteile die Menschenrechtsverletzungen auf das Schärfste. Zudem sehen gewisse Dinge etwas anders aus, wenn man in ein Land reist, das man zuvor nur aus den westlichen Medien gekannt hat. Oder wie es der Dalai Lama sagte – und das ist mir ganz wichtig: So lange Touristen nach Tibet kommen, in das von China besetzte Tibet, gelangen Informationen ins Land und es gehen Informationen hinaus. Nordkorea hat sich übrigens in den letzten 15 Jahren extrem verändert. Ich war vier Mal dort und habe festgestellt, dass auch dort langsam etwas passiert.

Wie sollen sich Touristen in Diktaturen verhalten, wenn sie keine Strafverfolgung riskieren wollen?

Das Risiko einer Strafverfolgung für Touristen ist klein. Es gab den Fall mit einem Amerikaner, der ein Bild gestohlen hat. Wenn wir uns entscheiden, in ein Land zu reisen, sollten wir uns überall an die Spielregeln halten, nicht nur in Diktaturen. Also hinreisen, wenn es geht, Frage stellen, aufmerksam bleiben, heimkommen, erzählen, auch Veränderungen erzählen. Ganz wichtig ist der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung.

Viele beliebte Reiseziele der Schweizer werden diktatorisch regiert. Seht ihr als Reiseveranstalter eure Aufgabe darin, Kunden darüber zu informieren?

Die Kunden sind mündig und informiert – sie entscheiden ob sie in ein diktatorisch regiertes Land reisen wollen oder nicht – nicht wir.  Wird vom EDA abgeraten in ein bestimmtes Land zu reisen, organisieren wir keine Reisen in dieses Land.  Wenn ich an Menschenrechtsverletzungen denke, dann dürfte man mehr als 50 Länder nicht mehr bereisen. Mit einigen «heiklen Ländern» pflegt die Schweiz zudem enge Wirtschaftsbeziehungen, etwa mit China.

Wie kann sich ein Tourist verhalten, damit vor allem Private statt Staaten von seinen Ausgaben profitieren?

Dass der Staat am Tourismus verdient, ist in vielen Ländern so, auch in Thailand oder Peru oder irgendwo. Anderseits ist der Tourismus der grösste Arbeitgeber auf diesem Planeten, direkt und indirekt. Wie wichtig der Tourismus ist, sieht man, wenn er wegfällt: in Russland z.B. haben wir viele Partner, die seit drei, vier Jahren ihre Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen können. Was die grossen Profiteure im Tourismus betrifft: Man muss ja nicht immer in Fünf-Sterne-Hotels oder in Hotelketten übernachten und essen. Sondern man geht hinaus, in die kleinen Restaurants, auf die Märkte und unterstützt so die Leute direkt. Sogar in Nordkorea gibt es kleine Märkte.

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