Der Zug namens «African Explorer», mit dem wir in vierzehn Tagen durch Südafrika, Eswatini (das ehemalige Swasiland), Mosambik und Simbabwe rattern, von Pretoria bis zu den Victoriafällen, ist fest in Frauenhand: Zugschefin Rosmary und ihre Stellvertreterin kümmern sich um das Wohlergehen der Gäste, wachen charmant darüber, dass jeder seine Getränke bezahlt und setzen die nötigen Mittel ein, wenn es an der Grenze nicht mehr weitergeht.
Foto: Artur K. Vogel
Ute du Plessis, die lokale Reiseleiterin, eine Deutsche, die seit 30 Jahren in Südafrika lebt, ist sehr gut informiert, weigert sich aber, die politische Lage in ihrer neuen Heimat zu kommentieren. Die resolute Michelle Agnew schliesslich, Vertreterin des Reiseveranstalters, ist noch keine dreissig, hat aber alles im Griff.
1985 machte es klick
Der Besitzer von Rovos Rail, Rohan Vos, begrüsst uns, eine Gruppe von Reisenden aus Deutschland und der Schweiz, in seinem privaten Bahnhof, der Capital Park Station in Pretoria, persönlich. Der 78-Jährige ist für das Treffen extra aus dem 1500 Kilometer entfernten Kapstadt angereist. Im Bahnhof steht eine mächtige Dampflok. Sie dient allerdings nur der Zierde; unser Zug wird von Diesellokomotiven gezogen. Rovos Rail kauft ausrangiertes Rollmaterial ein; in der Werkstatt der Central Park Station werden die Schlaf-, Restaurant-, Bar- und Aussichtswaggons aufgebaut. Der Glanz früherer Jahrzehnte ist also ziemlich neu.
Rohan Vos ist ein brillanter Erzähler. Er schildert, wie er im Auto- und Ersatzteilhandel sowie der Immobilienbranche reich geworden war, aber alles auf eine Karte setzte: «Als ich 1985 mit meiner Frau Anthea eine Eisenbahnreise unternahm, machte es klick.»
Foto: Rohan Vos
«Ich ging das Risiko ein, alles auf die Karte Eisenbahn zu setzen. Und es kam viel schlimmer als erwartet», erzählt er. Für die Jungfernfahrt des ersten Zuges hatte Vos eine historische Lokomotive restaurieren und sieben Waggons umbauen lassen. Wirtschaftlich war der Betrieb eine Katastrophe. «Neben den eingeladenen Gästen und den Journalisten hatten wir genau vier zahlende Passagiere», lacht er.
«In den ersten fünf Jahren musste ich alles verkaufen, mein Haus, meine Autos, meine Boote, mein Flugzeug und alle Firmen», sagt der Patron. 1993 stand der Bankrott unmittelbar bevor, weil eine Bank die Rückzahlung eines Kredits einforderte. Da kam ein englischer Anbieter gerade richtig: Er vereinbarte mit Rohan Vos die Entwicklung einer Strecke von Pretoria zu den Victoriafällen. Das Angebot schlug ein, und ab Mitte der 1990er-Jahre machte Rovos Rail Gewinne. Heute beschäftigt die Gesellschaft fast 450 Angestellte, und sie soll in Familienbesitz bleiben: Tochter Tiffany Vos (38) übt inzwischen eine leitende Funktion aus.
Nostalgischer Charme
Wer einen Rovos-Zug betritt, erlebt sofort dessen Charme: Die kleinsten Schlafabteile sind nur sieben Quadratmeter gross, aber mit allem Wesentlichen ausgestattet. Neben dem Bett auch mit einem Kleiderschrank und mit WC und Dusche. Deluxe Suiten bieten zusätzlich eine Sitzecke mit zwei Stühlen und Schreibtisch, während im Badezimmer der Royal Suite eine Badewanne steht.
Foto: Rovos Rail
Man will sich aber gar nicht zu lang in den Gemächern aufhalten. Denn im Zug gibt es zwei bequeme Barwagen. Noch gemütlicher sind die zwei eleganten Restaurants. Hier werden, je nach Ausflugsprogramm, täglich ein oder zwei Viergang-Menüs serviert. Die Bordküche ist winzig und höllisch heiss. Dass hier abwechslungsreiche Gourmet-Mahlzeiten kreiert werden, grenzt an Hexerei.
Foto: Rovos Rail
In den Rovos-Zügen kann man das südliche Afrika von Ost nach West und Nord nach Süd durchqueren. Besonders beliebt sind neben der Reise zu den Victoriafällen die Fahrten durch die namibischen Wüsten- und Steppenlandschaften oder, während mehr als zwei Wochen, die fast 5000 Kilometer zwischen der ehemaligen Hauptstadt Tansanias, Dar es Salaam, und Kapstadt.