Utah – Roadtrip-Paradies

Der US-Bundesstaat Utah ist ein All-American-Roadtrip-Wunderland. Ein Besuch in verlassenen Nestern und bei einigen der spektakulärsten Landschaften des Planeten.

Utah – Roadtrip-Paradies

Boulder, Utah. Ein Nest mit 200 Einwohnern, mitten in der Einsamkeit des amerikanischen Westens. Und ein Paradies. Seit Stunden fahren wir durch einen Sandsturm, der alle Konturen ausradiert. Kaum ein Auto ist zu sehen und wir fühlen uns wie die letzten Überlebenden nach dem Weltuntergang. Dann taucht das winzige Boulder mit seinen grünen Weiden und Obstbäumen wie ein Garten Eden am Rande der roten Wüste auf – und wenn man die Einwohner fragt, dann ist der Flecken tatsächlich ein Paradies. Es ist Samstag und auf dem Wochenmarkt bieten fünf Bewohner Selbstgemachtes feil: sizilianische Pizza, Kräuteröl und Schaffelle. Mancher hat Eier und Rindfleisch von der eigenen Ranch mitgebracht, wie Julia aus Deutschland, die vor 30 Jahren hier ins Nichts gezogen ist und um «keinen Preis der Welt wieder weg möchte». Anselm kommt dazu, seines Zeichens Oberbayer, Fotograf und an die 80 Jahre alt. In den 90er Jahren ist der Auswanderer aus Liebe zum «American Way of Life» an den Rand der Wüste gezogen. «Ich wollte der Enge Bayerns entfliehen. Hier erlebe ich eine Weite wie nirgends sonst auf der Welt.»

Strasse in Utah.

Foto: TravelMagazin

Jene Weite und die Naturgewalten sind es denn auch, die uns auf einen Roadtrip nach Utah locken. Wir starten unsere Tour in der Hauptstadt Salt Lake City, die einst von den Mormonen aus der Ebene gestampft wurde (siehe unten), und beladen unser Auto mit den nötigen Roadtrip-Utensilien: Wasser und Arizona-Eistee, Beef Jerky, Chips, Snack-Karotten und einem Thermobecher für die Drive-Through-Cafés. Auf Spotify finden wir eine American-Roadtrip-Playlist und sausen mit Johnny Cash, Willie Nelson und John Denver Richtung Süden. Zugegeben: Das ist ein Klischee – ebenso wie unsere Cowboystiefel, die wir in der Schweiz nicht anzuziehen wagen. Egal: Wir lieben das Roadtripping über die unendlich langen Strassen, die Boxenstopps in den Roadside-Dinern und die Melancholie, die einem an den einsamen Tankstellen inmitten der sengenden Wüste entgegenschwappt. Das ist Amerika: ein Spagat zwischen Trostlosigkeit und einigen der spektakulärsten Landschaften des Planeten. Und von denen hat der Süden Utahs eine ganz gehörige Portion abbekommen.

Wüste mit Steingebilden in Utah.

Foto: TravelMagazin

Gleich fünf der 63 US-amerikanischen Nationalparks liegen im Beehive State, wie Utah auch genannt wird. Unser erster Stopp ist der Zion National Park mit seinem gewaltigen Canyon, dessen rote Wände an manchen Stellen mehrere Hundert Meter aufragen und bei Sonnenaufgang leuchten, als hätte sie jemand mit Neonfarbe besprüht. Wir leihen uns ein Velo und wasserdichte Wanderschuhe und radeln durch den Canyon. Zwischen den Felsen grasen Hirsche und Bergschafe und huschen Graufüchse durchs Gebüsch. Unser Ziel sind die Meadows, die vielleicht spektakulärste Wanderung im Park, immerhin stampft man hier bis zur Hüfte durch den Fluss Virgin River, der die Schlucht seit Jahrmillionen aus dem Sandstein gefräst hat – und der Tod und Verwüstung zu den ersten Siedlern in der Region brachte.

Nachdem die Mormonen Salt Lake City gegründet hatten, schwärmten die Glaubensjünger aus, um den Staat zu besiedeln, und versuchten sich hier mit dem Anbau von Baumwolle. Doch die Sturmfluten verwüsteten die Felder und zwangen die Menschen zur Flucht. Am Eingang zum Park sind in der Geisterstadt Grafton noch die Gräber der ersten Siedler aus dem 19. Jahrhundert zu sehen und man ahnt, dass das Leben hier einst die Hölle gewesen sein muss. Der Anblick berührt und wir fragen uns, wie sich die Menschen gefühlt haben müssen, als sie voller Hoffnung auf ein gutes Leben in Europa aufbrachen und schliesslich in der Wüste strandeten.

Die Mormonen

Der Bundesstaat Utah ist das angestammte Heimatland der Mormonen, die offiziell als «Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage» (The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, abgekürzt als LDS) bezeichnet wird. Die Glaubensgemeinschaft geht auf Joseph Smith Jr. (1805–1844) zurück, dem in einer Vision ein Engel namens Moroni erschien. Dieser führte ihn zu einem Buch mit goldenen Seiten, das in der Nähe von New York versteckt war und Geheimnisse zum Leben Jesu enthielt. Smith übersetze das Buch, das nicht erhalten ist, und gründete die Glaubensgemeinschaft – so die offizielle Geschichte. Schon zur damaligen Zeit warf man Smith, der von den Mormonen als Prophet verehrt wird, Hochstapelei vor. Die Mormonen (heute weltweit etwa 18 Millionen Mitglieder) mussten wegen Anfeindungen aus der Region um New York fliehen und zogen gen Westen, wo der Präsident der Mormonen, Brigham Young (1801–1877), im Jahr 1847 die Stadt Salt Lake City gründete. Der ursprüngliche heilige Bezirk, der Temple Square mit Kirche und Versammlungsräumen, ist noch heute das Zentrum der Religion und des Bundesstaates Utah (eine Besichtigung ist sehr interessant). Die Mormonen haben auch heute noch einen starken Einfluss auf die Politik und die Lebensweisen im Bundesstaat Utah. Allerdings – entgegen aller Gerüchte – ist Utah kein «Dry State», also kein «trockener» Staat ohne Alkohol. Im Gegenteil! In SLC blüht die Craft-Beer-Szene (allerdings müssen alle Bars noch heute um 1 Uhr nachts schliessen). Sehr leckeres Bier gibt es beispielsweise im Squatters Pub.

Mehrere Millionen Europäer folgten einst dem Ruf des amerikanischen Traums. Einen Grossteil von ihnen hat die Geschichte ohne Spuren hinweggefegt. Mancher hat dem Land allerdings seinen Stempel aufgedrückt, wenn auch nur dem Namen nach. So wie Ebenezer Bryce, der in den 1840er Jahren aus Schottland in die Neue Welt auswanderte, zum Mormonen wurde und sich im Südosten des Bundesstaates als Bauer versuchte. Der Bryce Canyon National Park verdankt ihm seinen Namen. Wo Ebenezer seine Kühe weiden liess, haben wir das Aha-Erlebnis dieser Reise: Der Sonnenaufgang am Aussichtspunkt Bryce Point ist das Eindrücklichste, das wir auf unserem einwöchigen Roadtrip erleben.

Aussicht vom Brice Point in Utah.

Foto: TravelMagazin

Das fünf Kilometer breite Amphitheater ist gespickt mit Hunderten Hoodoos, Sandsteinnadeln, die aussehen wie Sandburgen, die man als Kind am Strand gebaut hat und die kurz nach 6 Uhr morgens in allen erdenklichen Farben von Goldgelb bis Rubinrot schillern. Unser Tipp: Der Rim Walk entlang des Kraterrands ist so früh am Morgen menschenleer und wir haben das Gefühl, die grandiose Landschaft hat sich nur für uns seit Jahrmillionen so herausgeputzt. Unbezahlbar!

Übrigens: Ebenezer Bryce konnte die Schönheit nicht lange geniessen. Er floh vor den harschen Lebensbedingungen – im Gegensatz zu Anselm aus Boulder. «Das Land hier hält ein Versprechen bereit», schwärmt der Wahl-Amerikaner. Ja, das Versprechen nach unvergesslichen Ferienmomenten. Aber ob wir wirklich gleich ins Nichts auswandern würden? Let’s see.

Der Rim Walk entlang des Kraterrands in Utah.

Foto: TravelMagazin

Travel Basics

Hinkommen Seit Mai 2021 fliegt Eurowings Discover direkt von Frankfurt nach Salt Lake City (mit guten Umsteigeanbindungen aus Zürich). Wer nur zu den Nationalparks im Süden möchte, kann auch direkt von Zürich mit Edelweiss Air nach Las Vegas fliegen. eurowings-iscover.com; flyedelweiss.com

Reinkommen Wer in die USA einreist, muss vor dem Abflug die ESTA-Einreiseformalitäten online ausfüllen. Das Einreiseprozedere war in SLC sehr schnell und angenehm. esta.cbp.dhs.gov

Rumkommen Ohne Mietwagen geht in Utah, wie in den gesamten USA, nichts. Es empfiehlt sich, das Auto im Voraus online zu buchen. Wichtig ist, dass eine Vollkasko ohne Selbstbehalt inkludiert ist. Beim Abholen des Autos wird man versuchen, weitere Versicherungen zu verkaufen. Diese sind bei einer Vollkasko nicht erforderlich.

Informationen: visitutah.com

 

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