Untold Stories: Globuli im Herz der Finsternis

Reisejournalist Christian Bauer erlebt viele Geschichten. Nicht alle schaffen es in seine Reportagen. In der zweiten Folge der «Untold Stories» erzählt er von einem Kampf mit Globuli gegen todbringende Pestilenzen im tropischen Afrika.

Untold Stories: Globuli im Herz der Finsternis

Mir erschien das Zuhause stets langweiliger als das Unbekannte. Wann immer sich also eine Möglichkeit für eine Reise bot, stand ich mit gepackten Taschen parat. In meinen Zwanzigern war das ein sechswöchiger Trip ins westafrikanische Togo, wo mein Vater für den Wiederaufbau der Elektroversorgung verantwortlich war.

Für die jüngere Ausgabe meiner selbst war die erste Reise ins Herz Afrikas eine Faszination und eine Überforderung. An Voodoo-Priester, die Tiere opfern, gebratene Ratten am Stiel und Frauen, die am Strassenrand im Stehen Pinkeln, musste ich mich erst gewöhnen. Oh, schöne neue Welt!

Doch ich war auch verängstigt, hatte ich doch über die Krankheiten im tropischen Afrika gelesen. Hier leben Würmer, die sich in menschlichen Augen einnisten, tummeln sich Malariamücken, Pesterreger, Gelbfieberviren, Schlafkrankheit-Parasiten. Nirgends treten so viele todbringende Krankheiten auf wie am Äquator Afrikas.

Deshalb liess ich mich gegen alles impfen, was hier kreuchte und fleuchte. Der Segen der Ersten Welt! Die Togolesen dagegen waren den Bazillen und Parasiten ausgeliefert.

Medizin gab es auf dem Markt zu kaufen, wo Händler Tabletten in der prallen Sonne ausgebreitet hatten. Man beschrieb ihnen die Symptome und sie empfahlen eine Pille – ohne die geringste Ahnung von dem zu haben, was sie da taten.

Kostengünstiger waren die Medizinmänner und -frauen, die mit ihren Amuletten und wettergegerbten Gesichtern wie Hexer aussahen. Sie boten Wurzeltinkturen, pulverisierte Tiere und getrocknete Affenschädel gegen Aussatz, Geschwüre und Potenzprobleme an. Ihre «Geheimwaffe» aber waren Talismane, aufgeladen mit Zaubersprüchen. Eine dieser Frauen kaufte ich ein Amulett aus Leder ab, das ich mir in Indiana-Jones-Manier um den Arm wickelte. So würde es mir aber nichts helfen, meinte die Schamanin. Dieser Zauber helfe gegen Bauchschmerzen daher müsse ich mir den Beutel um den Bauch binden.

Foto: Shutterstock

Von Krankheiten blieben wir nicht verschont. Mein Vater entwickelte hohes Fieber mit Schüttelfrost. Im lokalen Krankenhaus, eine Ansammlung flacher Gebäude mit Fenstern ohne Scheiben, wog man ihn und mass sein Fieber. Sofort stand die Diagnose fest: Malaria. Dumm nur, dass man die Tropenkrankheit nur durch einen Bluttest nachweissen kann. Mit Hilfe unserer mitgebrachter Malariamedikamente (vor Ort gab es keine zu kaufen) war mein Vater immerhin nach drei Tagen wieder auf dem Damm, was auch immer er hatte.

Auch mich erwischte es. Ich bekam eitrige Pusteln und einen Durchfall, den man, wollte man ihn beschreiben, nur mit Wasserfällen und Tropenstürmen vergleichen kann. Kein Problem, denn die Lebensgefährtin meines Vaters hatte uns eine Medizintasche mitgegeben, in der wir alles finden würden, was wir im Notfall brauchten.

Ich träumte von Imodium-Tabletten, Elektrolytpulver und Antibiotika und fand Globuli, Pflanzenpräparate und Bach-Blüten. Sie, die Biofreundin und Gesundheitsbewusste, wollte unsere Körper nicht mit Chemie misshandeln – mitten im Herz der Finsternis mörderischer Pestilenzen. Das gleicht dem Versuch, einen Löwen mit Wattekugeln zu vertreiben.  

Kurzum: Am Ende der Kohletabletten erfreute sich der Dünnpfiff immer noch bester Gesundheit.

Hätte ich mal lieber den Talisman um den Bauch gebunden!

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