- Vogel unterwegs (7)
Thailand als neues Weinland
Neben Stränden, Naturpärken, Tempeln, Restaurants und Bars besucht Artur auch ein Weingut, das er in Thailand nicht erwartet hätte, und ist überrascht von der Qualität der Gewächse.
Suthima führt im Badeort Hua Hin 200 km südwestlich von Bangkok eine Bar. Diese gehört ihrer älteren Schwester, einer Bekannten von mir und den beiden Copains aus Bern und Freiburg, mit denen ich eine Zeitlang unterwegs war. Wir frequentierten die «Airborne»-Bar täglich für ein paar Gin Tonic und einige Runden Pool-Billard, das ich mit Inbrunst und strikte limitiertem Talent spiele.
Gegen Suthima verliere ich regelmässig und auch gegen Rita, die stille Transfrau (in Thailand «Ladyboy» genannt). Schon vor Jahrzehnten erstaunte mich, wie unverkrampft man hier mit Geschlechteridentitäten umgeht. Als bei uns noch längst kein Brimborium um das Thema gemacht wurde, waren Transfrauen in Thailand ein integrierter Teil der Gesellschaft (nicht nur im Sexgewerbe, woher die meisten Touristen sie kennen dürften).
Thailand hat Anfang Jahr als erstes Land Südostasiens die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Die Entwicklung wird laut Umfragen von etwa vier Fünfteln der Bevölkerung unterstützt. Gleichzeitig ist Thailand stark von der Religion geprägt: Gemäss Befragungen bezeichnen sich 94% der Bevölkerung als religiös; 19 von 20 Thais sind Buddhisten.
Foto: Artur K. Vogel
Suthima ist nicht nur als Sparringpartnerin beim Billard willkommen. Sie kann auch den Nissan Juke ihrer Schwester nutzen, und zusammen haben wir einige Ausflüge unternommen, darunter zu mehreren Tempeln. Anders als die Kultstätten aus der Hochblüte des Khmer-Reiches in Kambodscha und anderen Territorien, die von Angkor aus regiert wurden (Vogel unterwegs (6)), sind die meisten Tempel in Thailand viel jünger oder sogar neu, was davon zeugt, dass die Religion tief verankert ist.
Der Huay Mongkol Tempel zum Beispiel begann als bescheidene Mönchsunterkunft vor 60 Jahren und entwickelte sich danach zu einer bedeutenden Anlage. Besonders auffällig ist eine 2004 errichtete, schwarz in die Landschaft ragende Statue eines sitzenden Mönchs, der für seine Wundertaten verehrt wird, und einem fast ebenso mächtigen, hölzernen Elefanten.
Ebenfalls Anfang Jahrhundert wurde der sogenannte Elefantentempel Doi Chap Thang gebaut, dessen goldene Pagode man über eine flache Treppe erklimmt, die von goldenen Buddha-Statuen flankiert und von einer riesigen Schlange beschützt wird. Die Pagode ist mit zahllosen Elefanten dekoriert. «Bei uns bedeutet der Elefant Glück und Reichtum, aber auch Weisheit und Stärke», erklärt ein ganz in orange Kleider gehüllter Mönch.
Foto: Artur K. Vogel
Die ersten der diversen Gebäude des Khao Tao Tempels wurden vor etwa 300 Jahren erbaut und liegt direkt am Meer; Wogen branden an seine Mauern. Vom Tempel aus kann man das Leben in einem Fischerdorf betrachten, das sich in eine stille, aber mit dem Meer verbundene Bucht schmiegt.
Hier möchte Suthima beten. Sie kauft Räucherstäbchen, ein Öllämpchen mit Docht und dazu eine Flasche Öl und ist für einige Zeit ganz vertieft. «Ich bete für mich und für meine Familie», antwortet sie auf meine Frage. «Für Gesundheit – und für Reichtum.» Sie lacht.
Foto: Artur K. Vogel
Einige Tage zuvor hatten wir die Monsoon Valley Winery besichtigt. Weinproduktion in Thailand? Das erinnert mich an andere Weingüter weitab bekannter Regionen, die ich im Lauf der Jahre besucht habe. Zum Beispiel auf der Kanalinsel Jersey, die auf der Höhe der Normandie liegt. Seit mehr als 50 Jahren produziert die La Mare Wine Estate in der der Gemeinde St. Mary auf Jersey Weine von erstaunlicher Qualität. Nichts Besonderes, finden die Jersyaner: Die ersten Reben wurden auf der Insel schon vor fast 250 Jahren gepflanzt.
Foto: Artur K. Vogel
Oder in der südschwedischen Provinz Skåne, geografisch noch rund 700 km nördlich von Jersey: In Anderslöv nahe der Grossstadt Malmö betreiben Lotta und Håkan Hansson das Weingut Hällåkra Vingård. Zwar bewirtschaftet Håkan den Hof schon in fünfter Generation. Aber noch sein Vater betrieb traditionelle Landwirtschaft, und Håkan verdiente sein Geld als Banker in Stockholm. «Das Weingut ist das Produkt meiner Midlife Crisis», sagt er lachend. Vor gut zwanzig Jahren begannen Lotta und Håkan mit 700 Rebstöcken; mittlerweile produziert Hällåkra Vingård etwa 15000 Flaschen Schaumwein, Rosé, Roten, vor allem aber Weisswein.
Noch überraschter war ich, am Inlé-See in Myanmar (früher Burma) gleich zwei Weingüter zu finden: Die Red Mountain Estate Vineyards & Winery wurde 2003 vom Schweizer Serge Heymoz gegründet, der im Lauf der Jahre mehr als 400‘000 Weinstöcke aus Frankreich, Spanien und Israel anpflanzen liess. 2006 wurden die ersten 1000 Flaschen Weiss- und Rotwein abgefüllt; inzwischen sind es jährlich um die 120‘000 Flaschen, für die Red Mountain zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten hat.
Noch etwas älter ist der Aythaya Vineyard, gegründet 1997 von Bert Morsbach aus Düsseldorf. Morsbach erzählte, dass er per Zufall zum Wein kam: «Ich baute in Myanmar Bio-Basmati-Reis an. 1997 entschied der Landwirtschaftsminister, mein Geschäft einem seiner Kumpane zuzuschanzen. Anstatt nach Thailand zurückzukehren, wo ich vorher gelebt hatte, beschloss ich, Wein anzubauen.» Morsbach wurde zum ersten Weinproduzenten in Myanmar.
Während die Weinproduktion auf der Insel Jersey dem milden Klima zu verdanken ist, das der Golfstrom mit sich bringt, jene in Myanmar dem Pioniergeist von Enthusiasten und jene in Südschweden der Erderwärmung, überrascht es, im tropischen Thailand, wo Temperaturen und Feuchtigkeit eigentlich zu hoch sind, eine prosperierende Weinproduktion anzutreffen.
Foto: Artur K. Vogel
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von gut 7000 Dollar pro Kopf der Bevölkerung – etwas mehr als Nachbar Vietnam und etwas weniger als Nachbar Malaysia – ist Thailand kein armes Land mehr, aber auch kein reiches. Die meisten Menschen müssen ihren Lebensunterhalt mühsam zusammenkratzen.
Chalerm Yoovidhya (74) braucht sich hingegen keine Sorgen zu machen. Sein Vermögen belief sich laut «Forbes» im letzten Jahr auf 36 Milliarden US-Dollar und machte ihn zum reichsten Thai. Angehäuft hat er es unter anderem dank der Red Bull GmbH mit Hauptsitz in Fuschl am See bei Salzburg, die ihm zu 51% gehört und 2024 einen Gewinn von etwa 2,4 Milliarden Euro verbuchte.
Chalerm Yoovidhyas Leidenschaft gehört aber nicht dem Energy Drink, sondern dem Wein. Er habe die Vision gehabt, «eine thailändische Weinkultur zu schaffen», erklärt er. Den ersten Weinberg liess er 2001 in Zentralthailand anpflanzen, und nach einer überraschend erfolgreichen Testphase bei Hua Hin kaufte er die 245 Hektar grosse ehemalige Elefantenanlage Boon Khok Chang und liess dort Trauben der Sorten Shiraz, Merlot, Chenin Blanc, Colombard, Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc, Sangiovese und Solis anpflanzen.
Seltsamerweise wächst die Weissweinsorte Solis auch auf dem Hällåkra Vingård in Schweden, fast 5000 km nördlich von Hua Hin; sie gilt als besonders kälteresistent. Shiraz wird auch auf den Weinbergen in Myanmar kultiviert, ebenso die deutsche Sorte Dornfelder. «Nur für Sangiovese war Monsoon Valley ungeeignet», sagt Poi, die uns durch die Weinberge führt. Die für die Toskana typischen Reben mussten wieder ausgerissen werden; für sie war es zu feucht.
«Fast zwanzig Jahre nach Beginn sind wir stolz, den international am meisten ausgezeichneten thailändischen Wein zu produzieren», sagt Chalerm Yoovidhya. Ganz ohne Rückschläge geht es aber nicht: Bei unserem Besuch im Januar müssten die Reben voller Trauben hängen, denn Weinlese ist Ende Februar, Anfang März. Sie sind aber leer. Aussergewöhnlich starke Regenfälle hätten die Reifung der Trauben behindert, erklärt Poi. Gelesen werde nun erst später.
Wer mehr über die oben beschriebenen Weinregionen erfahren möchte, findet hier zusätzliche Informationen.
Jersey: lamarewineestate.com
Südschweden: hallakra.com
Myanmar: redmountainestate.com; aythayawinegarden.com
Thailand: monsoonvalley.com