«Geht – nicht – raus!» Safari-Guide Prosper lässt keine Zweifel aufkommen, dass wir nicht einmal den kleinen Zeh aus dem Zelt strecken sollen. Denn mittlerweile ist die Dunkelheit über Tansania hereingebrochen – die Stunde des grossen Fressens. Dann steigen die Leoparden von ihren Bäumen, stapfen die Nilpferde aus ihren Tümpeln und kriechen Taranteln aus den Erdlöchern. «Nachts ist das eine völlig andere Welt», bekräftigt Prosper.
Was wohl da draussen ums Zelt schleicht? Sollen wir nicht doch mal einen Blick vor die Tür werfen? Da bricht ein Getöse los, als ob ein Panzer durch den Wald prescht. Ein Elefantenbulle steht vor der Veranda und genehmigt sich einen Busch. Wow! Ganz grosses Kino – im Schutz des stabilen Luxuszelts. Am Morgen erfahren wir, dass in der Nacht zudem ein Leopard und ein Nilpferd im Camp unterwegs waren. Glück gehabt.
Das Jongomero Camp, in dem wir uns für ein paar Tage einquartiert haben, liegt fernab jeglicher Zivilisation inmitten der Wildnis des Ruaha Nationalparks im Südwesten Tansanias. Und weit und breit ist kein Schutzzaun in Sicht. «Wir sind hier zu Gast und sperren die Natur nicht aus», sagt General Manager Ricus Delport. Das sorgt für Nervenkitzel, auch wenn das Gelände 24/7 von jungen Massai-Kriegern patrouilliert wird – die schon mal empfehlen, etwas länger an der Bar sitzenzubleiben, wenn mal wieder «something big» herumschleicht.
Foto: TravelMagazin
Genau diese Tierwelt ist Tansanias grösster Besuchermagnet. 1,2 Millionen Gäste kommen pro Jahr, um die berühmten Big 5 zu sehen: Löwe, Jaguar, Nashorn, Büffel und Elefant. Bis auf einen kleinen Bruchteil zieht es die Safari-Touristen allerdings in den Norden des Landes zum berühmten Serengeti Nationalpark oder dem Ngorongoro Krater mit seiner spektakulären Tierwelt. Der Ruaha Nationalpark im südlichen Tansania ist da eine erholsame Ausnahme. Bei unserer einwöchigen Safari in der Nebensaison im März sehen wir sage und schreibe fünf weitere Touristen. Das Jongomero Camp, das aus acht Zelten besteht, haben wir gar ganz für uns und so kommen wir in den Genuss von zwei privaten Safaritouren pro Tag.
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Los geht es jeden Morgen kurz nach Sonnenaufgang, wenn die Nachttiere sich zurückziehen und die Tagtiere aus ihren Verstecken kriechen. Der ideale Zeitpunkt, Giraffen, Löwen und Co. vor die Linse zu bekommen – theoretisch. Denn die Nebensaison ist gleichzeitig Regenzeit, wenn einem das hohe Gras die Sicht versperrt. «In der Trockenzeit versammeln sich die Tiere um die wenigen Wasserstellen. Da sind die Sichtungen immer gut», erläutert Prosper. «Aber jetzt gibt es überall Wasser, da können die Tiere überall sein.»
Das ist freilich ein Problem bei einer Fläche halb so gross wie die Schweiz. Der Ruaha Nationalpark ist mit 20 000 Quadratkilometern der grösste seiner Art in Ostafrika (mit zwei anschliessenden Schutzgebieten umfasst das Ökosystem gar die gesamte Eidgenossenschaft). Unsere Tiersuche entwickelt sich zum Glücksspiel. Wir reisen viele Kilometer im offenen Jeep herum mit «nur» einigen Sichtungen von Impalas, Zebras, Giraffen und Nilpferden – keine Geparden, Löwen oder Büffel. Hakuna Matata – kein Problem! Die Landschaft, in der aberwitzige Baobab-Bäume wie adipöse Gerippe in den Himmel ragen, ist schlicht wunderbar schön.
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Die Stars des Parks sind allerdings die Elefanten. 10 000 Tiere sollen hier leben. Auf unserer letzten Pirschfahrt entdeckt Prosper schliesslich eine kleine Herde in einem Akazienwald. Die Dämmerung hat eingesetzt und die Feuchtigkeit liegt in bläulichem Dunst über der Landschaft. Unter den Bäumen trotten die Elefanten fast lautlos umher und recken ihre Rüssel in die Luft – mal schnuppern, wer sich da genähert hat. Einige Babys springen herum und kuscheln sich zwischen die Beine ihrer Mütter. In der Ferne ziehen einige Giraffen wiegend durchs Bild. Und wir sind völlig alleine. Unvergesslich.
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