Mongolei – Unendliche Weiten
Menschenleere Weite, abertausende Pferde und jahrhundertalte Lebensweise: Willkommen in der Mongolei! Das zentralasiatische Land ist eine wahre Entdeckung. Vom Leben in einer Jurte.
Menschenleere Weite, abertausende Pferde und jahrhundertalte Lebensweise: Willkommen in der Mongolei! Das zentralasiatische Land ist eine wahre Entdeckung. Vom Leben in einer Jurte.
Mich starrt ein Schafskopf an – aus einem Topf, aus dem gemeinsam sechs Menschen mit den Fingern essen. Und alle sind glücklich: Gekochter Schädel ist eine Delikatesse. Mit Händen, die seit Kindertagen Fleisch von Schafsschädeln pulen, löst Hausherrin Joohonoo das Gewebe von den Augen und reicht es mir. «Für dich». Ablehnen kann ich die schlabbrige Masse nicht, denn das Tier wurde eigens für mich geschlachtet. Einfach ist das für mich nicht. Und dennoch bin ich fasziniert: Das geschlachtete Schaf wird komplett verwertet. Innereien, Fleisch und Kopf werden gegessen, die Haut zu Leder verarbeitet, die Sehnen zu Schnüren.
Die Mongolei – nirgendwo passen die Anfangsworte der Fernsehserie «Star Trek» besser als hier: Unendliche Weiten …. Der zentralasiatische Staat zwischen Russland und China hat eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern. Wer einen Vergleich braucht: Das sind 37 Mal die Schweiz – bei gerade mal 3 Millionen Einwohnern, wo von gut die Hälfte in der Hauptstadt Ulan-Bator wohnen. Statistisch lebt auf dem Land also eine Person auf einem Quadratkilometer. Diese grenzenlose Freiheit, durch die wie in einem Traumland abertausende Pferde ziehen, trifft mich mitten ins Herz.
«Niemand kann das Land besitzen. Das Land besitzt die Menschen»
Mongolisches Sprichwort
Kulturelle Highlights gibt es in der Mongolei wenige. Es sind die Naturerebnisse, welche die Besucher anziehen: Die Grasebenen, die wilden Przewalski-Pferde, Dinosaurierfriedhöfe und die Wüste Gobi in der Grenzregion zu China. Mein Highlight allerdings ist meine dreitägige Stippvisite bei einer Nomadenfamilie, ein sinnliches Erlebnis, das mich weit in die Vergangenheit katapultiert. Denn seit vielen Jahrhunderten hat sich die Lebensweise in der mongolischen Hochebene kaum verändert – wenn man von den Sonnenkollektoren und gelegentlichen Satellitenschüsseln vor den Jurten absieht. Zwei Mal im Jahr ziehen die Nomaden mit ihrem Hab und Gut und Viehherden um, im Sommer zu einer offenen Fläche, wo der Wind die Mücken verscheucht, im Winter an einen geschützten Ort. Temperaturen können dann bis auf minus 30 Grad fallen. Dass in strengen Wintern hunderttausende Tiere verenden, ist keine Seltenheit.
So faszinierend mein Einblick in die unbekannte Kultur ist, so hart ist das Leben für Joohonoo (36) und ihren Mann Ochiroo (40). Beide schuften von Sonnenauf bis -untergang für das karge Leben. Erste Aufgabe am Morgen ist es, das Vieh einzufangen, das über Nacht frei herumstromern durfte – in einem Land ohne Zäune, ein Paradies für Pferde, Kühe und Schafe. Und eine Plage für die Nomaden. Fast zwei Stunden braucht Ochiroo, um die Pferde zurück zur Jurte zu treiben.
Zur Begrüssung: vergorene Stutenmilch
Es ist eine Herausforderung für westliche Gaumen, aber eines der wichtigsten Getränke der Mongolei: vergorene Stutenmilch. Traditionell wurde die Rössli-Milch in einem Lederbeutel aufbewahrt, heute werden Milchkannen verwendet, die immer am Herd stehen für genügend Wärme für die Gärung. Das säuerliche und leicht alkoholische Getränk wird jedem Gast zur Begrüssung angeboten.
Währenddessen melkt Joohonoo die Yaks und zotteligen Kühe und verarbeitet die Milch zu Joghurt, an der Sonne getrocknete Milchriegel (die so hart sind, dass man sie lutschen muss), Käse und Sahne, deren feste Haut auf einem Guezli ein leckeres Zmorgen gibt. Lebensgrundlage sind seit jeher Fleisch und Milchprodukte. Lebensmittelpunkt der Beiden ist ihre Jurte, die wie ein weisser Klecks in der braunen Landschaft steht, etwa zwei holprige Jeep-Stunden vom nächsten Laden entfernt – in der riesigen Mongolei, schon fast eine zentrale Wohnlage.
Knapp 20 Quadratmeter haben sie zum Leben und Arbeiten. Hier werden nicht nur Töpfe, Werkzeuge und Kleider aufbewahrt, sondern auch das Schaffleisch aufgehängt und die Milch verarbeitet. Es hat nicht viel: einen Herd, einen Schrank, eine Kommode, ein Küchengestell und zwei Einzelbetten (für ein Doppelbett ist schlichtweg kein Platz) – ein minimales Leben. Warum sie denn nicht ihr Glück in der Hauptstadt versuchen, will ich wissen. «Da gibt es doch keine Freiheit», sagt Joohonoo.
Mein persönliches Fazit
Die Reise in die Mongolei war eine der faszinierendsten der letzten Jahre. Denn ich liebe Einblicke in authentisches, traditionelles Leben, das nicht für Touristen inszeniert wird. Deshalb sollte man sich unbedingt bei einer Nomadenfamilie einquartieren. Die Eindrücke sind so intensiv, da braucht es keine Sehenswürdigkeiten, die man «abhaken» kann.
Reinkommen Für die Einreise genügt ein Reisepass.
Rumkommen Nur ein kleiner Teil des Landes ist mit Asphaltstrassen ausgebaut. Der Rest sind holprige Pisten. Ein Mietwagen ist daher nur zu empfehlen, wenn man sich in der Nähe der Hauptstadt aufhält. Für weitere Touren empfiehlt sich daher eine organisierte Reise oder ein Wagen mit Fahrer.
Gesundheit Nebst den üblichen Impfungen, die auf Fernreisen zu empfehlen sind, sind für die Mongolei keine Impfungen nötig.