Japan – Ein Land wie eine Bewusstseinserweiterung
Japan ist crazy, laut und faszinierend andersartig – und gleichzeitig meditativ leise. Kaum ein Land vereint solche Gegensätze. Eindrücke eines Reisenden, der das Reisen wieder lernen musste.
Japan ist crazy, laut und faszinierend andersartig – und gleichzeitig meditativ leise. Kaum ein Land vereint solche Gegensätze. Eindrücke eines Reisenden, der das Reisen wieder lernen musste.
In Japan mutiere ich wieder zum Reiseanfänger. Selbst die grundlegendsten Basics muss ich von Grund auf neu erlernen: die mysteriösen Gesetzmässigkeiten beim Metrofahren, das Handling eines nassen Regenschirms beim Einkaufen (die werden nämlich in Plastik verpackt) und das Essen im Fastfood-Restaurant. Denn eine schnelle Portion Ramen-Nudelsuppe mit gebratenen Schweinsrippli ordert man nicht beim Koch, der hinter der Theke mit dampfenden Töpfen hantiert. Nein, im technik-verliebten Japan muss man zuvor ein Essens-Billett am Automaten lösen.
Nicht einfach, wenn am Display nur schnörkelige japanische Schriftzeichen leuchten. Ob es Zufall ist, dass manche japanische Lettern aussehen wie verknotete Nudeln? Abhilfe schafft ein ur-japanisches Phänomen: Die Schaufenster der Restaurants sind geschmückt mit minuziösen Plastik-Imitationen der angebotenen Snacks – und es sorgt für verschämtes Kichern, wenn der hungrige Tourist der Bedienung das gewünschte Essen im Schaufenster zeigt.
Das japanische Miteinander ist sehr ritualisiert, niemand möchte durch unpassendes Verhalten auffallen. Da wird jedes andersartige Verhalten mit einem Kichern quittiert. Gleichzeitig aber blättern Männer in der U-Bahn schamlos in Manga-Pornos, die einem die Schamesröte ins Gesicht treiben. Es sind die Kontraste, die Japan zu einem der spannendsten Destinationen Asiens machen.
Japan kann ohrenbetäubend laut und gleichzeitig meditativ schweigsam sein – so wie in den Zen-Gärten der ehemaligen Hauptstadt Kyoto, die für mich schönste Stadt des Landes. Denn hier kann man besonders gut in die Philosophie des Zen-Buddhismus eintauchen, der den Landschaftsgarten als Meditationshilfe erfunden hat. Die Idee: Die kunstvolle Kombination aus geharkten Kiesflächen, bemoosten Steinen und Bonsai-Bäumen sollen den Geist beruhigen. Bei mir klappt das: In der Stille der Zen-Klöstern fällt schon nach wenigen Minuten die Hektik von mir ab.
Velotour durch Kyoto
Die UNESCO-Welterbestätten in Kyoto verteilen sich auf ein grosses Stadtgebiet. Das ideale Fortbewegungsmittel ist ein Velo. Wer sich nicht alleine in den Linksverkehr wagt und zudem Hintergrundinformationen zur komplexen japanischen Gesellschaft und Geschichte wünscht, sollte eine Tagestour mit dem Kyoto Cycle Tour Project unternehmen. Nur Velomiete ist auch möglich. www.kctp.net
Kyoto ist im technikverrückten Japan noch ein Überbleibsel vom traditionellen Reich der aufgehenden Sonne. 17 Unesco-Welterbestätten (Tempel, Schlösser und Schreine) zeugen von der einstigen politischen und religiösen Bedeutung der gemütlichen Millionenmetropole. Und auch hier prallen Gegenteile aufeinander.
Im buddhistischen Kiyomizu-dera-Tempel suchen die Menschen die Erleuchtung, und nebenan bei den Naturgeistern der Shinto-Religion ein neues Liebesglück. Ein Widerspruch? Nicht in Japan. «Ich glaube an Buddha, Jesus und die Shinto-Götter. Mir kann also nichts passieren», sagt Keiko, die mich mit dem Velo durch Kyoto führt. Die Shinto-Geister sind im Alltag für die Wünsche zuständig – allerdings haben sie viel zu tun. Mit einer Glocke muss man deshalb zunächst um ihre Aufmerksamkeit buhlen, danach – typisch japanisch – sich verbeugen und respektvoll seinen Wunsch vortragen. Der göttliche Beistand kostet selbstverständlich einen Obolus. «5 Yen genügen», sagt Keiko. 4 Rappen – Wünsche sind hier «on sale.» Im Gegensatz zum sonstigen Preisniveau: Für ein zweistündiges Geisha-Entertainment in Kyotos Stadtteil Gion zahlt man beispielsweise mehrere Hundert Franken.
Denn hier ist die aussterbende Welt der Geishas noch lebendig – auch wenn sie sich für das ungeübte Auge hinter verschlossenen Schiebetüren versteckt. Rote Lampions deuten an, dass sich in den zweistöckigen Holzhäusern ein Teehaus befindet, in denen Geishas eine Gesellschaft unterhalten. So verschlossen die Türen, umso blühender die erotischen Fantasien. «Geishas sind keine Prostituierten», berichtigt Fumiko, welche Touristen einen Einblick in die verborgene Welt gewährt.
«Eine Geisha unterhält die Gäste bei einem Essen mit Gesang, Tanz, Konversation und Gesellschaftsspielen». Dementsprechend lange dauert die Ausbildung: vier Jahre von pubertierenden Mädchen bis zur perfekten Gastgeberin. Auf meinem Streifzug durch das Gion-Viertel entdecke ich nur eine Geisha, die auf ihren traditionellen Holzschuhen an mir vorbei huscht und eine Nachricht in ihr Smartphone tippt.
Vergangenheit, Gegenwart oder doch die Zukunft? In Japan verschwimmen die Grenzen.
Mein persönliches Fazit
Japan hat mich ab der ersten Sekunde fasziniert. Ich liebe den Kontrast zwischen verrückten Zukunftsvisionen und der Liebe zu den alten Traditionen. Ein Land, das man in seinem Leben einmal gesehen haben muss. Mein Tipp: Man sollte sich mindestens zwei Wochen Zeit nehmen – und am besten gleich einen Monat bleiben.
Reinkommen Zur Einreise genügt ein Reisepass.
Geld Die japanische Währung ist der Yen. Ein Franken entspricht etwa 113 Yen. Ausländische EC-Karten werden meist nur an den Geldautomaten der Post akzeptiert. Es kann mit Kreditkarten bezahlt werden, dennoch ist Bargeld das gängige Zahlungsmittel. Franken lassen sich leicht wechseln. Die Preise haben Schweizer Niveau.
Reisezeit Japan ist eine Ganzjahresdestination. Hauptsaison sind der Frühling zur Kirschblüte (März/April) und der Herbst, wenn die Bäume sich golden färben (November). Im Juni und Juli ist Regenzeit. Weil dann aber wenige Touristen auf den Inseln sind, eignen sich diese Monate dennoch für Reisen. Nebensaison ist der Winter, der in meisten Teilen milder ist als in der Schweiz. Wer Lust hat, kann dann seine Skikünste auf zahlreichen Bergen testen.
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Informationen www.japan.travel