Wie wäre es mit einem Coaching für achtsamen Sex? Oder einem Orakel-Kreis mit sieben Tagen Singen und Tanzen? «Unlock your creative well», steht da in grossen Lettern auf dem Plakat: «Öffne deine kreative Quelle.» Wir sitzen gerade im Café La Mora in Mazunte im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca und ich vertreibe mir die Wartezeit bei Cappuccino und Waffeln mit dem Studieren des Anschlagbretts. Eine überaus amüsante Tätigkeit! Wobei es neben den esoterischen Angeboten auch ganz Bodenständiges gibt: Surfkurse, Vespa-Vermietungen, Yoga. Mazunte, eine kleine Küstenstadt an der Pazifikküste gut 700 Kilometer südlich von Mexico City, zieht Sinnsuchende und Hippies aus der ganzen Welt an. Aber eben nicht nur.
Foto: Barbara Halter
Das «La Mora» widerspiegelt diesen Mix perfekt. Unter dem tiefhängenden Palmendach – wer einen Platz vorne auf der Terrasse ergattern kann, hat Blick auf den Strand – sitzen Paare, Familien mit Kindern, digitale Nomaden mit ihren Laptops und Rentner aus den USA, die hier überwintern. An einem der farbigen Holztische sitzt Rosa Elba Rodriguez Hurtado, die Besitzerin des Cafés. Sie und ihr Mann sind 2010 aus Mexico City an die Pazifikküste gekommen. «Ich arbeitete früher im Tourismusbereich, mein Mann war Chemiker und wir hatten das Bedürfnis, anders zu leben.»
Das «La Mora» liegt genau genommen am Strand von San Agustinillo. Das kleine Fischerdorf ist mit seinem Nachbarort Mazunte praktisch zusammengeschlossen. Beide haben eigene Strände, die durch Felsen voneinander getrennt sind. In San Agustinillo sind die Unterkünfte etwas teurer und somit das Publikum eher älter. In Mazunte tummeln sich mehr die Rucksacktouristen. Wobei es allerdings ziemlich egal ist, für welchen Ort man sich entscheidet. Alles ist gut zu Fuss erreichbar. Dazu fahren entlang der Küste tagsüber Colectivos, Pick-ups mit zwei langen überdachten Sitzbänken auf der Ladefläche, die auf ein Winken anhalten und einen für 15 Pesos, etwa einen Franken, mitnehmen.
Foto: Barbara Halter
Beim Baden im Pazifik ist Vorsicht geboten, die Wellen werden an einigen Tagen recht hoch, dazu gibt es gefährliche Unterströmungen. Der Strand von San Agustinillo besteht aus mehreren ineinander gehenden Buchten. Die Playa Bebé – der Name sagts – ist nicht nur die kleinste, sondern auch recht wellengeschützt und daher angenehm zum Schwimmen. An sehr ruhigen Tagen lohnt es sich dort, mit Schnorchel und Taucherbrille ins Wasser zu gehen. Neben vielen bunten Fischen lassen sich manchmal auch Schildkröten oder Mantarochen beobachten.
Foto: Barbara Halter
Am Strand von San Agustinillo wird morgens und abends auch gesurft. In Mazunte springen die Einheimischen entlang des Strands mit Skimboards, kleinen, leichten Surfbrettern, auf die Wellen im seichten Wasser und vollführen halsbrecherische Tricks. Beide Orte sind geeignet für Surfanfänger. Von Mazunte aus ungefähr eine Stunde die Küste hoch liegt Puerto Escondido, einer der bekanntesten Surfspots der Welt.
Foto: Barbara Halter
Aber dieses kleine Paradies hat noch mehr zu bieten: Von Dezember bis März lassen sich an der mexikanischen Pazifikküste besonders faszinierende Besucher beobachten. Buckelwale kommen von Alaska runter in die südlicheren, wärmeren Gewässer, um ihre Jungen zu bekommen und sich zu paaren. In dieser Zeit starten an den Stränden von San Agustinillo und Mazunte morgens zwischen sieben und acht Uhr Beobachtungs-Touren. Während der Hochsaison empfiehlt sich eine Reservierung. Am besten geht man am Vortag gleich am Strand vorbei. Die Männer, lokale Fischer, sitzen meist neben ihren Booten und geben Auskunft.
Natürlich wollen auch wir die sanften Meeresriesen sehen. Unser Captain heisst Miguel. Er steuert erst den Roca Blanca an, einen grossen weissen Felsen vor der Küste. Seine weisse Farbe hat er vom Kot der vielen Vögel, die ihn ständig belagern. Auf dem Weg dahin sehen wir eine Meeresschildkröte, die im offenen Meer dümpelt und ihren Panzer von der Morgensonne aufwärmen lässt. Sie ist sozusagen das Markentier von Mazunte und San Agustinillo. Früher wurden die Meeresschildkröten gejagt, bis sie in den 90er Jahren praktisch ausgerottet waren und unter Schutz gestellt wurden. Dank verschiedener Schutzprogramme erholt sich ihr Bestand wieder. Und mit etwas Glück kann man dabei sein, wenn am Strand von Mazunte frisch geschlüpfte Babyschildkröten freigelassen werden. Zurück aufs offene Meer: Wir sind weit draussen, als plötzlich neben, vor, ja gar unter unserem Boot Delfine auftauchen. Sind es fünfzig, hundert Tiere? Ihre Zahl ist unmöglich zu schätzen. Die glatten, dunklen Körper der Delfine jagen durchs Wasser. Ihre Nasen und Flossen sind in greifbarer Nähe. Am Horizont sieht man sie in die Luft springen und sich fallen lassen. Wahnsinn! Nach diesem Erlebnis ist es gerade völlig egal, ob wir auf unserer Tour auch noch Buckelwale beobachten können oder nicht. Doch kurze Zeit später sind sie da: sechs Tiere, die abwechselnd, mal alleine, mal zu zweit, auftauchen. Wir sehen ihre Rücken in den Wellen, erahnen einen Teil des Kopfes. Dann heben sie die Fluke, ihre Schwanzflosse, senkrecht in die Luft und tauchen wieder ab.