• Vogel unterwegs (12)

Auf der Mutter aller Wasser in Laos

Vom Goldenen Dreieck zwischen Thailand, Myanmar und Laos aus fährt Artur auf einem sogenannten Slow Boat den Mekong hinunter nach Luang Prabang. Die alte laotische Königsstadt hat es ihm angetan.

Auf der Mutter aller Wasser in Laos

Rucksacktouristen schwärmen von dieser Fahrt. «Einmalige Lebenserfahrung», schrieb eine Bloggerin. Ich war schon mehrmals auf dem Mekong, der in Laos «Meh Nam Kong» oder «Mutter aller Wasser» heisst, aber noch nie auf einem Slow Boat. Die langen, hölzernen Flussschiffe mit 50 bis 100 Sitzplätzen sind auf dem Wasser, was Überlandbusse auf der Strasse sind: die günstigsten Transportmittel. Sie halten unterwegs mehrmals an, um Passagiere aus- und einsteigen zu lassen.

Ein Slow Boat auf dem Mekong.

Foto: Artur K. Vogel

Der mythische Mekong, 4300 bis 4900 Kilometer lang (seine Quelle ist nicht genau definiert), entspringt in Tibet und fliesst durch China, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam. Mindestens 65 Millionen Menschen leben direkt vom Fluss, sei es als Fischer, Schiffer, Händler oder Betreiber von Hotels, Herbergen und Restaurants, sei es als Bauern, die mit seinem Wasser und den mitgeführten Sedimenten ihre Felder bewässern und düngen. Seit Jahren werden am Mekong und in seinen Nebenflüssen Wasserkraftwerke gebaut, was das Ökosystem durcheinanderbringt und die Fischbestände dezimiert hat.

Aussicht auf den Mekong.

Foto: Artur K. Vogel

Zahllose Anrainer benutzen den Fluss auch als vorbeifliessende Kehrichtdeponie. Auf der zweitägigen Fahrt vom Goldenen Dreieck 350 km hinunter nach Luang Prabang treibt, neben Ästen und Bäumen, Tonnen von Plastikabfall, Verpackungsmaterial und anderem Müll, auch eine tote Kuh an uns vorbei.

Übernachtet habe ich vor der Fahrt in Huay Xai. Die Hauptstadt der laotischen Provinz Bokeo ist ein verschlafenes Nest und bietet einen krassen Kontrast zur Sonderwirtschaftszone in derselben Provinz, wo Chinesen eine glitzernde Retortenstadt mit Casinos und Hotels aus dem Boden stampfen («Vogel unterwegs» 11).

Laos gilt als eines der günstigsten Reiseländer. In Huay Xai findet man ein Bett in einem Hostel für sechs, sieben, ein Hotelzimmer für gut zehn Franken. Allerdings bekommen fast alle Unterkünfte bei Tripadvisor miese Noten. Besser wäre das Angebot im thailändischen Chiang Khong auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Doch erfahrene Reisende haben von dieser Alternative abgeraten, weil die Abläufe am laotischen Grenzposten, den man von Thailand aus über eine «Freundschaftsbrücke» erreicht, ziemlich chaotisch sind. So riskiert man, das Boot zu verpassen.

Kontemplation statt Effizienz

Mir wurde auch gesagt, ich sollte mindestens eine Stunde vor Abfahrt da sein, um einen guten Platz zu ergattern. Die Vorsichtmassnahme ist unnötig: Die Sitze, die vermutlich aus Abbruchautos stammen, sind bequemer, als ich befürchtet hatte, und sie sind bei der Abfahrt um etwa zehn Uhr nur zur Hälfte besetzt. Das ändert sich unterwegs: Mehrmals halten wir an improvisierten Schiffsstegen an, und aus den Dörfern steigen weitere Passagiere zu, viele von ihnen schwer beladen.

Die Fahrt ist eine einzige Kontemplation: Grüne Landschaften, teils kultiviert, teils Urwald, das eine oder andere Dorf, meist oben auf einer Krete gelegen, Kinder, die sich am Ufer austoben, Fischer, Schnellboote, die an uns vorbeizischen, Frachtkähne, Sandbänke, Wasserbüffel. Wir werden in unserem Leben auf Effizienz getrimmt: keine Minute inaktiv verschwenden. Hier findet das Gegenteil statt, und es ist göttlich: Nichtstun, nicht einmal aufs Handy starren, denn es gibt noch Strecken ohne Empfang; Eindrücke aufsaugen, nachdenken, träumen, dösen.

Sandbank mit Wasserbüffel, Laos.

Foto: Artur K. Vogel

So sind wir am ersten Tag rund acht Stunden auf dem Wasser und kommen erst nach Sonnenuntergang in der Zwischenstation an, in Pak Beng, einem Dorf mit etwa 500 Einwohnern. Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es hier sehr viele Unterkünfte, nämlich rund zwei Dutzend, vom Hostel für ein paar Franken bis zum Luxusresort, das je nach Saison bis gegen zweihundert Franken kosten kann.

Ich habe eine Übernachtung im Monsavanh Guesthouse gebucht, für zwölf Franken, und mich vom unreinlichen und abgelebten Zustand der Räumlichkeiten nicht vom guten Schlaf abhalten lassen. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit gebratenem Reis, Poulet und Gemüse, alles von einem Spiegelei gekrönt, fahre ich in der Gesellschaft von Einheimischen und Rucksackreisenden, deren Grossvater ich sein könnte, weiter in Richtung Luang Prabang.

Die luxuriöse Variante

Weil wir auf dieser Fahrt die Dörfer nur vom Schiff oder der Anlegestelle aus sehen, wende ich einen journalistischen Trick an. Ich war nämlich schon im September 2023 auf dieser Strecke unterwegs, damals in umgekehrter Richtung auf einem luxuriösen Schiff namens «Mekong Pearl». Mehrmals im Jahr wird die «Mekong Pearl» mit ihren 15 Kabinen, Restaurant und Sonnendeck von Thurgau Travel in Weinfelden gechartert.

Das Boot Pearl auf dem Mekong.

Foto: ZVG

Der Kapitän sitzt in seinem kleinen Kommandostand und beobachtet konzentriert die braune, träge Wassermasse. Der Mekong mit zahlreichen Untiefen, Strudeln und Stromschnellen ist tückisch. Mindestens zehn Jahre müsse man den Fluss kennenlernen, bevor man ein Schiff wie dieses pilotieren dürfe, sagt Thomas Stukenbrok. Der Deutsche ist als «Cruise Director» auf unserem Schiff für alles zuständig ausser dem Navigieren.

Unterwegs zum Goldenen Dreieck passieren wir die Höhle von Pak Ou, für Buddhisten ein heiliger Ort, an dem sie Tausende von Buddha-Statuen eingestellt haben, antike und moderne, aus Holz, Bronze oder vergoldet. Gläubige zünden Räucherstäbchen an und werfen sich in Verehrung vor den Statuen nieder.

Pak Ou Grotte, Mekong.

Foto: Artur K. Vogel

Das erste Dorf, das wir besuchen, Muang Keo, kennt einen bescheidenen Wohlstand, weil hier nach traditionellen Methoden Reisschnaps gebrannt und Textilien gewebt werden. Houay Lam Phen hingegen, von einigen Dutzend Familien aus dem Volk der Hmong bewohnt, wirkt ärmlich. Sobald wir am sumpfigen Ufer angelegt haben, bedrängen uns Dutzende von Kindern, wollen selbst gebastelte Souvenirs verkaufen, begleiten uns auf unserem ganzen Spaziergang durchs Dorf.

Traditionelles Haus der Hmong Houay,Lam Phen.

Foto: Artur K. Vogel

Die Mongh kamen erst vor etwa zwei Jahrhunderten aus der Mongolei und Nordchina nach Laos und siedelten sich in den Bergen an. Während des Vietnamkriegs wurden sie von den Amerikanern als Guerilla gegen die Kommunisten trainiert. Einzelne Gruppen bekämpften die laotische Zentralregierung noch bis in die 2010er-Jahre. Deshalb sind die Mongh dem Regime suspekt, und es siedelt seit Jahrzehnten ganze Mongh-Dörfer aus den Bergen zwangsweise an den Mekong um.

Etwa prosperierender erscheint das Dorf Don Mixay. Die Schulgebäude sind proper; viele Kinder tragen Schuluniformen. Thomas Stukenbrok zeigt uns dieses Dorf mit Stolz. Denn Schule und Uniformen wurden von Mekong River Cruises gesponsert, der Muttergesellschaft der «Mekong Pearl».

Don Mixay Schulkinder, Laos.

Foto: Artur K. Vogel

Prächtige Königsstadt

Ankunft diesmal also mit dem Slow Boat in Luang Prabang. Die Stadt mit rund 70’000 Einwohnern, deren historisches Zentrum auf einer Halbinsel zwischen dem Mekong und seinem Nebenfluss Nam Khan liegt, gehört zu meinen Lieblingsdestinationen. Einst war Luang Prabang Sitz der laotischen Könige. Nach dem Vietnamkrieg, der in Laos «Amerikanischer Krieg» heisst, wurde der letzte Monarch 1975 abgesetzt. Die marxistisch-leninistische Revolutionäre Volkspartei übernahm die Macht, die sie bis heute hält. Die Königsfamilie wurde in ein Lager gesteckt und vermutlich 1980 ermordet.

Was in Luang Prabang vom Königreich übriggeblieben ist, sind mehrere Paläste und Dutzende traditionelle, reich verzierte buddhistische Tempel mit spitzen Giebeln. Zusammen mit der Altstadt im französischen Kolonialstil, heute ein lebendiges Ausgehviertel, machen sie aus Luang Prabang ein ungemein attraktives Reiseziel. 1995 wurde die Stadt in das Unesco-Verzeichnis des Welterbes aufgenommen.

Luang Prabang Kolonialarchitektur.

Foto: Artur K. Vogel

Die Speisung der Mönche im Morgengrauen bietet ein besonderes Spektakel: An der Strasse knien Männer und Frauen auf Bastmatten und halten ihre Gaben bereit, vor allem gekochten Reis. In leuchtend orange Gewänder gehüllt, ziehen die kahlgeschorenen, barfüssigen buddhistischen Novizen und Mönche in Einerkolonne mit ihren Gefässen vorbei, in denen alle Spenden aufgenommen werden: Reis, Geldscheine, Früchte, Currys.

Speisung der Mönche in Luang Prabang.

Foto: Artur K. Vogel

Bei meiner eigenen Speisung am Abend staune ich wieder über die laotischen Preise: Beim Eingang zum Nachtmarkt gibt es einen Food-Court mit Dutzenden von Strassenküchen. Für lokale Köstlichkeiten (oder, wenn es unbedingt sein muss, auch Würste nach deutschem Rezept) plus einem, zwei laotischen Bieren kommt man mit umgerechnet einem Fünfliber davon. Die Frau, die mir Reisnudeln mit Fisch und Gemüse serviert, staunt, als ich ihr verrate, dass es für diesen Preis in einer Schweizer Beiz gerade mal einen Espresso gäbe.

Luang Prabang Food Court, Nachmarkt.

Foto: Artur K. Vogel

Reisetipp

Der Flussreisespezialist Thurgau Travel in Weinfelden bietet von Dezember 2025 bis Februar 2026 viermal eine 16-tägige Flussreise von Vientiane zum Goldenen Dreieck an: thurgautravel.ch

 

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