Verkaufsverhandlungen in Ägypten sind eine Kunstform. Da wird mit astronomischen Zahlen jongliert, betörende Geschichten werden erzählt und beleidigte Mienen aufgesetzt – und Mahmut der Bootführer ist ein Profi. Zum Sonnuntergang möchte ich in der südägyptischen Stadt Assuan eine Bootstour unternehmen. Mahmut setzt einen Preis für 400 Ägyptische Pfund an, aber ich weiss, dass 100 schon gutes Geld sind. «Ich gebe dir 100», sage ich. Nun blitzt der Schalk in seinen Augen auf und er fabuliert in gebrochenem Englisch, aber durchaus wortgewaltig von mangelnden Touristen, Preissteigerungen und meiner Verantwortung für sein Auskommen. Es folgt ein Tanz, bei dem ich vorgebe, zur Konkurrenz zu gehen, er mich zurückhält, beleidigt schaut und wir uns dann schliesslich auf 150 Pfund einigen – und das in bester Stimmung. Das Feilschen gehört in Ägypten dazu und es katapultiert jeden Besucher innert Sekunden mitten hinein ins orientalische Lebensgefühl. Ich liebe es! Oder wie unser einheimischer Guide Mohammed sagt: «Das macht Erlebnis.»

Foto: TravelMagazin
Ein Erlebnis ist auch die Tour mit Mahmut durch die Felsen des ersten Katarakts, der Nil-Stromschnelle. Auf der einen Seite des gewaltigen Flusses erhebt sich die Stadt, auf der anderen gibt es Sanddünen und Felsengräber der alten Ägypter. Die untergehende Sonne bepinselt die Szenerie mit Gold und Feluken, die typischen Nilboote, segeln lautlos an uns vorbei. Das hat etwas Zeitloses – auch wenn ich weiss, dass die Feluken heute nur noch für Touristen unterwegs sind. Und als wir am Raddampfer «SS Sudan» aus dem Jahr 1921 vorbeikommen, auf dem die Kriminalautorin Agatha Christie die Idee für ihr Buch «Tod auf dem Nil» bekam, packt mich, den Reisejournalisten, vollends eine Vintage-Stimmung.

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Denn hier auf dem Nil nahm der moderne Pauschaltourismus seinen Anfang. Ab den 1870er Jahren führte der Reisepionier Thomas Cook Nilkreuzfahrten für englisches Klientel durch. Und da ich mich für alles Vergangene und dessen Nachhall im Heute begeistern kann, kommt für mein Ägyptenabenteuer nur eine «Nile Voyage» in Frage – auch wenn unsere «MS Alyssa» ein Neubau ist (übrigens gestaltet von der verstorbenen Zürcher Designerin Pia Schmid). Das Reiseerlebnis auf einer Nilkreuzfahrt hat sich nämlich seit 150 Jahren nicht verändert – inklusive Tea Time auf dem Sonnendeck.
Überhaupt ist das Sonnendeck «the place to be». Im Loungesessel zieht die oberägyptische Landschaft zwischen Luxor und Assuan wie eine «National Geographic»-Dokumentation vorbei. Das ist ganz grosses Kino, insbesondere bei Sonnenauf- und -untergang. Dann erhebt sich hinter dem grünen, bewässerten Streifen mit seinen Dattelpalmen, in dem Fellachen Wasserbüffel und Ziegen zum Tränken treiben, die Wüste in allen möglichen Farben von Goldgelb bis Ocker. Und was ist der Soundtrack zu diesem Blockbuster? Die Gebetsrufe der Muezzins, die fünf Mal täglich von den Dörfern herüberschweben.

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Und wenn wir nicht über den Nil tuckern, stehen einige der schönsten altägyptischen Überbleibsel auf dem Programm. Denn eine Nilkreuzfahrt ist nicht nur ein Sprung in die Anfangstage des Tourismus, sondern auch eine Zeitreise 3000 Jahre vor unsere Zeit zurück. Die Region zwischen den Städten Luxor (damals die Hauptstadt Theben) und Assuan war einst das Zentrum des Pharaonenreichs – dementsprechend gespickt ist das Land hier mit Tempeln, Statuen und Gräbern. Einer oder zwei davon stehen pro Tag auf dem Programm: der Karnak-Tempel mit den 134 überdimensionalen Säulen, zwischen denen man sich wie in einem Mammutwald fühlt, der Tempel von Kom Ombo, wo man einbalsamierte Krokodile bewundern kann, oder der Tempel von Abu Simbel, der als Ganzes wegen des Assuan-Stausees versetzt wurde. Absolutes Highlight ist das Tal der Könige mit den farbenfrohen und zuweilen klaustrophobischen Gräbern der Pharaonen.

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Das ist eine geballte Ladung Geschichte – auch für mich. Deshalb gönne ich mir ab und zu eine Auszeit von den Obelisken, Hieroglyphen und Sphinxen. Und die gibt es nirgends besser als in den Basaren von Luxor und Assuan. Ich schaue im Teehaus Fussball, esse Streetfood mit Käse aus dem Tetrapak und lasse mich vom Barbier rasieren. Unbedingt zur Nachahmung empfohlen! Übrigens: Mahmut erläutert am Ende unserer Bootstour in blumigen Worten, warum er doch 300 anstatt der abgemachten 150 Pfund verdient hat. So ein Schlingel! Aber eben: Das macht Erlebnis.

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